Polnische Feiern haben es in sich. Wer das nicht weiß oder glaubt, der soll mal an einem Namenstag teilnehmen. Sohn Constantin und ich haben es getan, und es ging sogar um einen Doppelnamenstag. Freund Aleksander und seine Frau Mirka haben am 26.2. ihren gemeinsamen Namenstag. Amtlich verbrieft, sogar auf einem Kalender direkt aus dem Vatikan, den –ganz polnisch- das Konterfei des schon lange verstorbenen Papstes Johannes Paul II, also des Papstes polnischer Abkunft, ziert, während man das Bild des amtierenden Papstes vergeblich sucht.
Samstag 16.00 Uhr, im Bankettsaal des kleinen Dorfes Aleksandria, unweit von Lodz treffen die Gäste ein. Feiner Zwirn ist angesagt. Mit 23 Personen ist das Fest eher eine kleinere Feier, der Saal hätte ohne Probleme auch 80 Gäste gefasst.
Der Tisch, festlich gedeckt, Blumengebinde, Vorspeisen, Fruchtcocktails, Wodka, alkoholfreie Getränke, Kuchen, mühevoll finden wir noch Platz, um die aus Deutschland mitgebrachten Weißweinflaschen dazwischen zu schmuggeln. Später wird dieser Wein viel Lob ernten, na klar, der Gutedel von Winzer Marcel Schulze aus Döschwitz aus dem Saale-Unstrut-Anbaugebiet, wer mit dem was falsch machen will, der muss sich schon richtig Mühe geben. Aleksander begrüßt die Gäste mit ein paar Worten, lässt dann mit der ersten Runde Mirka hochleben, sie lässt ihn mit der zweiten Runde hochleben.
In großen Terrinen wird dampfende Brühe hereingetragen und auf den bereits vorbereiteten Suppentellern verteilt. Die polnische Küche ist reich an verschiedenen Pasteten wahlweise mit allen möglichen Fleischsorten. Gefüllte Ente mit Preiselbeeren, würziges Schweinefilet, und natürlich Krautsalate in allen Farben und Varianten. Beim virtuosen Umgang mit Krautsalaten macht den Polen kaum jemand anders etwas vor. Dann kommen die warmen Gerichte, Cordon bleu, Entenkeulen, verschiedene Braten, gekochtes Kraut, Kartoffeln, die unvermeidlichen Frytki und Gnocchi in reichlich Butter und diverse Saucen, unmöglich alles auch nur zu kosten und ich bin mir nicht mal sicher, ob ich überhaupt alles gesehen habe. Dazwischen prostet man sich immer wieder zu. Nach dem Essen wird es dann auch den unvermeidlichen Sto-Lat-Gesang geben, das Lied, mit dem die Gäste den Gastgebern ein erfülltes 100-jähriges Leben wünschen.
Krzystof der nette Herr, der für die Druckbetankung zuständig ist, verteilt in hoher Schlagzahl Runde um Runde Wodka. Widerspruch wird nicht geduldet. Krzystof war früher Polizist und erzählt mir stolz, dass er damals sogar mit dem BND zusammen gearbeitet habe.
Edwin mein 8jähriger Nachbar, Spross der deutsch-russischen Nachbarn Matthias und Julia, von denen in den polnischen Grillimpressionen schon mal berichtet wurde, und die natürlich heute bei diesen Feierlichkeiten auch nicht fehlen dürfen, ist froh, dass das lästige Essen endlich vorbei ist und sein Vater das Handy zum Spielen herausrückt. In den nächsten Stunden werden seine Augen langsam eine viereckige Form annehmen.
Den Nachbar Grzegorz, den ich noch nie im Anzug erblicken durfte, weil er in seinem Garten immer in Arbeitssachen herum läuft, hätte ich angesichts seines Aufzuges fast nicht erkannt.
Auch Andrzej, Aleksanders Sohn ist da, in Begleitung seiner Freundin und natürlich sprechen wir lange über Europa und den Brexit, über Polen und über Gott und die Welt. Andrzej reist viel, ist dienstlich ständig in Europa unterwegs, auch am nächsten Tag wird er schon wieder aufbrechen, diesmal nach Barcelona, ein paar Tage später nach Brüssel. Hier schüttelt man den Kopf über die derzeitigen Machthaber in Polen, amüsiert sich über ihre oft primitiven Versuche, die Deutschen madig zu machen.
Schließlich wird eine Runde Sekt verteilt und mit einer kleinen Feuerfontäne bringen Kellner Adrijan und seine beiden Kolleginnen die Torte herein, nächtlicher Höhepunkt es Festmahls. Erneut wird angestoßen, diesmal mit dem Sekt und dann verteilen die Gastgeber persönlich die Tortenstücke, die angenehm locker und luftig daher kommen.
Natürlich ist es am Ende wieder viel zu viel Essen gewesen, allerdings gibt es dafür ein gängiges Ritual, die zahllosen Reste werden unter den Gästen verteilt und von ihnen mit nach hause genommen. Matthias erzählt mir, daß dieser Vorgang nicht unwichtig dafür sei, wie die Feier den Gästen in Erinnerung bleibt. Auch die Gastgeber und wir nehmen noch reichlich mit, so daß es nicht nur für ein Schlemmerfrühstück mit den Nachbarn am nächsten Morgen reicht, sondern Constantin auch noch Verschiedenes auf den Weg nach Berlin entgegen nehmen muss.
Fast am Ende der Feier kommt es noch zu einer Begegnung, mit der ich nicht gerechnet hatte, Yvonna, Aleksanders erste Frau erscheint, um Andrzej und seine Freundin abzuholen und nach Lodz zu bringen. Vor 36 Jahren habe ich an der Hochzeit von Yvonna und Aleksander teilgenommen, auch damals unter schwierigen politischen Verhältnissen, über Polen war der Kriegszustand verhängt worden. Yvonna und ich haben uns danach nie wieder gesehen. Wir sitzen und reden eine Weile über unsere Leben, Yvonna ist stolz auf Andrzej und seine Entwicklung, ist zufrieden mit ihrem Leben. Sie wohnt noch immer in der Wohnung ihrer Eltern, in der sie damals schon wohnte. Irgendwie freuen wir uns über das unerwartete Wiedersehen und verabschieden uns herzlich voneinander.
Am nächsten Morgen frühstücken wir noch einmal zusammen mit unseren Gastgebern und den Nachbarn Julia und Matthias und ihren Kindern, jetzt kann man noch einiges von den Dingen probieren, die man am Vortag nicht geschafft hat. Und dann heißt es schon wieder Abschied nehmen, die Autobahn hat uns wieder und die Erinnerung an gute Freunde in unserem Nachbarland Polen.