Polens West-Ost-Autobahn ist ein Segen. Wenn man vom Raum Poznan absieht, wo man schon mal auf kleine Staus und dichten Verkehr trifft, herrscht im Übrigen moderater Verkehr. Wenn ich heute dort fahre, kommt unweigerlich die Erinnerung an Zeiten vor den Autobahnen zurück, da wir uns -auf dem Weg nach Litauen- auf Landstraßen quer durch das ganze Land voran quälten und dann genieße ich den verkehrstechnischen Fortschritt. Diesmal sind wir unterwegs nach Grotnicki, einem kleinen Gartenstädtchen vor den Toren von Lodz. Dort hatten einst die Eltern meines Freundes Aleksander, mit dem ich vor 40 Jahren ein Semester lang das Zimmer im Studentenwohnheim am Ostbahnhof teilte, eine Wochenentdatscha. Vor einigen Jahren beschloss Aleksander -mittlerweile Germanistik-Professor- dort ein „richtiges“ Wohnhaus zu bauen und seinen Wohnsitz aus der belebtesten Straße von Lodz mit ihren prächtigen Jugendstilbauen ins beschauliche Grotnicki zu verlegen. Als wir am späten Nachmittag dort ankommen, döst der Ort vor sich hin. Im kleinen Laden um die Ecke fassen wir noch rasch ein paar Zywiec-Biere,
die in früheren Zeit Goldstaub waren und den guten Wodka Wyborowa und erleben wenige Minuten danach die freundliche Begrüßung unserer Gastgeber Mirka und Aleksander.
Der linke Nachbar winkt auch herüber, man kennt sich eben aus den alljährlichen Drei-Tage-Besuchen. Diesen krönt eine Einladung zum Grillen im Garten. Dazu sind auch die anderen rechtsseitigen Nachbarn eingeladen, eine deutsch-russische Ehe Julia und Matthias mit zwei Kindern, Edwin und Emilia. Alle sprechen deutsch, russisch und polnisch, ob sie auch noch Fremdsprachen sprechen, kann ich nur vermuten.Der Tisch ist gedeckt mit verschiedenen marinierten Gemüsen. Gurken. Mirkas unvermeidliche eingelegte Pilze und eine Spezialität, die wir noch nie gesehen haben und die, wie man uns erklärt, aus Ungarn kommt. Runde Paprika aus der Marinade, leicht scharf und gefüllt mit frischem Sauerkraut.
Schließlich ein gemischter Salat. Wirklich appetitanregend duftend und äusserst schmackhaft.
Vom Grill kommen polnische Bratwürste, hierzulande als Krakauer bezeichnet, Kaszanka, eine schwarze Grützwurst, Kiszka ziemniaczana, im künstlichen Darm und Wurstform zubereitetes Kartoffelpüree mit Grütze, Speck und Zwiebeln, das sehr lecker schmeckt.
Natürlich fehlen auch Steaks nicht, die in diesem Falle der Gast aus Berlin in bewährter Roastbrätelmanier in Senf und Zwiebeln eingelegt hat als die Gastgeberin sein Hilfsangebot annahm.
Julia hat russischen Möhrensalat mit unheimlich viel Knoblauch zubereitet. Constantin ist begeistert. Am anderen Tag wird Julia ihm das Geheimnis des Salats verraten, Schmand und Mayonnaise, je zur Hälfte.
Der Abend wird lange dauern und doch viel zu schnell vorüber gehen. Neben den kulinarischen Genüssen wird natürlich viel politisiert, am Zustand Europas und unserer Länder ist eben doch kein Vorbeikommen. Als wir die Runde langsam aufheben, ruft mich Andrzej, Aleksanders Sohn an und entschuldigt sich in einem langen Telefonat dafür, dass er es aus dienstlichen Gründen nicht geschafft hat, nach Grotnicki zu kommen, obwohl ich da bin. Unser in englisch geführtes Gespräch ist dann die 4. Sprache dieses Abends…