Die gute Botschaft zu Beginn, ja, das Weinjahr 2018 war offenbar wirklich so gut, wie der Ruf, der ihm voraus eilte. Lars Gärtner überschlägt sich fast vor Begeisterung, die Fässer sind voll, die Qualität ist Spitze und wenn man sich durch die Weingüter kostet, muß man viel Sinn für Edelsüße haben. Meiner war ungefähr nach der Hälfte unseres Besuches beim Gärtnerschen Frühlingsfest aufgebraucht, da konnte ich nichts Süsses mehr sehen, geschweige denn trinken und dann habe ich mich in so glasklaren und auf andere Weise wohlschmeckenden Erzeugnissen wie dem 600UNO Trento DOC Dosaggio Zero Metodo Classico Spumante getummelt. Der Name Null Zucker ist tatsächlich Programm und für den, der es mag ein wirklich leckeres Tröpfchen.
Der Gärtner bringt auf der ca. 280 Produkte fassenden Verkaufsliste Kreuze bei den Weinen an, die wir unbedingt verkosten müssen. Es bleiben wenige Produkte ohne Kreuz. (Tatsächlich sind es 39 Kreuze)
Da die Liste nicht nur Weine enthält, sondern auch einiges an Spirituosen, ist damit zu rechnen, daß wir zum Schluss der Veranstaltung den Heimweg nicht im Taxi sondern eher im Rettungswagen antreten. Ganz vollständiges Abarbeiten der Liste ist also eher nicht zu empfehlen. Immerhin folgen wir mal der Champagner-Empfehlung und schlürfen einen Duval Leroy Champagne Brut Classic Range, der mit 27,08 EUR sehr viel Champagner fürs Geld bietet, zumal er auch noch in der 5+1 Aktion zu erwerben ist. Das macht schon Spaß, liegen doch zwei andere Cuvees aus dem Hause mit mehr als 40 und mehr als 6 EUR in deutlich anderen Preisregionen.
Der Schönheitspreis geht in diesem Jahr eindeutig an die Distilleria Bottega in Treviso Italien.
Sandro Bottego hat eine eigene Glasbläserei und stellt darin die unglaublich spektakulären Flaschen für seine Spumante, einen Gold Prosecco Spumante DOC Brut Jahrgang 2018 Rebsorten Chardonay und Glera und einen Rose Gold Vino Spumante Bottega Rebsorte Pinot Noir mit einem sensationellen Kirscharoma her und nun dürfen Sie dreimal raten, welcher von beien wohl in welcher Flasche steckt. Die Flaschen werden für jeden Kunden nach der Bestellung frisch abgefüllt, Wartezeiten sind also einzuplanen. Das vielversprechende Outfit der Flaschen halten die jeweiligen Inhalte in vollem Umfang, ehe wir in lange Sezieren kommen, einfach oberlecker, sagt, was zu sagen ist.
Der Ich-kriege-viele-Preise-Preis geht an Marcel Schulze aus Döschwitz in Sachsen, der ohnehin medaillenverwöhnt in diesem Jahr 6 Gold- und 5 Silbermedaillen der DLG abgeräumt hat und damit alle bisherigen Rekorde in den Schatten stellt. Die kleine Sensation, mit der er an unseren Tisch kommt, ist ein 2017 Roter Gutedel vom Naumburger Sonneck, der mit 7,9 g/l Restsüße und 6,3 g/l Säuregehalt und einem zarten Rosa ohne jeden Widerstand durch die Kehle läuft und einfach Spaß macht.
Der Interview-Preis wird in diesem Jahr Hans Peter Peitz, Inhaber des Weingutes Hermann Heinrich Peitz aus Wallhausen an der Nahe verliehen.
Als ich seinerzeit für die Besprechung seines 2014 Baccus bA trocken schon mal zu der Gegend recherchierte, kam ich zu der Erkenntnis, daß das an der Nahe mitten in der malerischen Landschaft zwischen Bingen, Bad Kreuznach und Johann Lafers Stromburg gelegene Wallhausen mit 27 Winzern und Weingütern wohl die höchste Winzerdichte Deutschlands aufweist. Inmitten dieser Gegend, in der vermutlich nichts ohne irgendeinen Bezug zum Wein stattfindet, führt Hans-Peter Peitz das Weingut seiner Altvorderen nun schon in der 4. Generation. Peitz folgt unserer Einladung zum Gespräch in blütenweißem Hemd mit den Initialen des Weingutes auf dem Kragen, mit kontrollierten Bewegungen und geschliffener Spache und macht auf mich den Eindruck eines Mannes, der weiß, was er will. Er hat uns einen 2018 Grünen Silvaner Spätlese trocken vom Wallhäuser Pastorenberg mitgebracht und sagt stolz, das ist ein Sylvaner, den findet man selten in dieser Qualität. Ich koste, 98 ° Oechsle, wenig Fruchtsäure, 13,5 Vol,-% , wow, ein Mundvoll Wein fast zum Bersten lecker und ich muß an das Motto meines Gesprächspartners denken, das ich in seiner Internetseite gefunden habe: „Tradition nicht die Anbetung der Asche sondern die Weitergabe des Feuers!“ da haben wir es, das Motto in dieser Flasche 0,75 l besten Silvaners.
Das mit dem Feuer haben offenbar auch seine beiden Töchter Clarissa und Viktoria verstanden, Clarissa hat es bereits 2016 als 23-jährige zur Naheweinkönigin gebracht, ihr BWL-Studium will sie noch durch ein einschlägiges Studium in Geisenheim ergänzen. Zu Viktoria sagt Peitz: „Sie hat es lange für sich behalten.“ Aber nun wollen beide doch die 5. Generation des Weingutes sein. Wir sinnieren ein wenig über die heutige Jugend. Peitz verspürt einen gedanklichen Wandel, Kinder, die doch den elterlichen Betrieb fortführen wollen, die fühlen, da wird was hinterlassen, da sind Grundwerte da, die es lohnt fortzuführen. Nach den Konflikten mit der jüngeren Generation befragt, meint er, dass man eben nicht kommen dürfte mit der Nachricht, „das haben wir schon 40 Jahre so gemacht.“ Ausprobieren, Zeitgeist, sehen, welcher Vorschlag der beste ist. Hans-Peter Peitz nennt das „Evolution, keine Revolution“ Die junge Generation muss sich verwirklichen aber nicht alles Alte war Blödsinn. Aber selber etwas infrage stellen, das ist schon wichtig. Als ich ihn erzähle, daß mir bei der jungen Generation aufgefallen ist, daß -vielleicht auch, weil sie während des Studiums in Geisenehein- wenig Konkurrenzgedanken verbreiten würden, antwortet er mir, daß er dann auch Wert darauf lege, zu den Jungen gezählt zu werden. Nach einem Weinjahr 2018 kommt man nicht umhin, über den Klimawandel zu sprechen. Er merkt an , daß die Anbaugrenzen sich eben nach Norden verschieben, die Sinnhaftigkeit dieser Entwicklung steht dahin aber mehr Weinanbau kann schon gut sein, weil Wein in der gegenwärtigen Gesellschaft ein steigendes Ansehen genießt. Besondere Jahre bergen auch immer die Möglichkeit zu besonderen Weinen in sich. Und dann erzählt er mir – befragt nach irgendeinem Highlight – von einem 2011 Weißburgunder Auslese trocken, der auf einer kleinen abseits liegenden Fläche schlicht bei der Ernte vergessen worden ist. Da ist ein Wahnsinnswein entstanden, der mit 15,8 Vol% zu Buche schlug. Beim Reden haben wir noch einen sehr gehaltvollen, ja geradezu voluminösen 2018 Weißen Burgunder Spätlese trocken vom Wallhäuser Pastorenberg mit reifen Aromen von Birnen verkostet und uns zum Abschluss unseres Gespräches einen 2018 Grauen Burgunder Spätlese feinherb vom Wallhäuser Höllenpfad, der vor fruchtigen Aromen fast platzt, verkostet. Peitz muss zurück an seinen Stand, nächsten Freitag geht die öffentliche Arbeit schon weiter: DAS Weintestival in Wallhausen steht bevor. Na dann, Glück auf den Weg, Hans Peter Peitz aus Wallhausen.
Der Tresterbrand-Preis – da bin ich durchaus etwas engstirnig- geht auch in diesem Jahr wieder an unseren Freund Hans-Heinrich Weyer vom Weingur Lauermann und Weyer für den Gelben Muskateller, der jedenfalls bei mir noch keinen Meister gefunden hat, obwohl ihm aus dem eigenen Hause nun mit einem Trester aus roten Beeren ein ebenfalls leckerer Konkurrent zugewachsen ist. Eindrucksvoll aus dem Hause ebenfall ein Wein aus eingetrockneten Trauben, der den Namen Unykat QbA Bockenheimer trägt und die Kleinigkeit von 142,7 g/l Restzucker aufweist. Man könnte auch Rosinenwein zu ihm sagen aber so darf ein deutscher Wein nicht heißen. Hans-Heinrich aber auch…
Was sonst noch gekostet und geredet wurde und wem vielleicht noch der eine oder andere ( z.B. Schönheits-) Preis zugestanden hätte, das verrate ich wie immer nicht. Aber, dass dem Frühlingsfest wohl auch wieder ein Herbstfest folgen wird, dass macht auf jeden Fall jetzt schon neugierig und löst Freude aus.
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